Spezialist:innen für teure Therapien? Warum Hochpreiser-Teams mehr sind als ein Verwaltungsupgrade

Hochpreisige Medikamente sorgen regelmäßig für Schlagzeilen. Sie stehen für medizinischen Fortschritt, aber auch für immense Kostenpositionen im Gesundheitssystem. Die Herausforderung dabei: Wie kann ein System zwischen Innovationsdrang und Budgetverantwortung entscheiden, wenn Therapien Tausende Euro pro Packung kosten?

Ein neuer Ansatz der Sozialversicherung soll hier nun für mehr Qualität sorgen: die sogenannten Hochpreiser-Teams. Sie sollen nicht nur schneller, sondern auch kompetenter über die Bewilligung besonders teurer Medikamente entscheiden. Was dahintersteckt, haben wir hier für Sie zusammengefasst.

Was sind Hochpreiser – und warum brauchen sie eigene Strukturen?

In der Praxis gelten Medikamente mit einem Listenpreis von über 750 Euro pro Packung als Hochpreiser. Anders als bei Routineverordnungen, bei denen standardisierte Kriterien greifen, erfordern diese Therapien oft eine tiefere medizinische und wirtschaftliche Bewertung.

Im gewohnten Verfahren landen auch Hochpreiser in der automatisierten Bewilligungsschleife, dem sogenannten ABS (Arzneimittel-Bewilligungs-Service).

Das Problem:

Die Zufallsauswahl unter ärztlichem Kontrollpersonal bedeutet, dass auch wenig versierte Personen über komplexe, kostenintensive Behandlungsentscheidungen urteilen müssen. Gleichzeitig tickt die Uhr: Wird nicht innerhalb von 30 Minuten geantwortet, gilt die Bewilligung automatisch als erteilt. Was in der Breite Versorgungssicherheit schafft, wird im Einzelfall schnell zum Problem.

Die 30-Minuten-Regel: Fluch und Segen der Schnellbewilligung

Die 2005 eingeführte 30-Minuten-Regelung hat das System deutlich beschleunigt. In der Praxis wird ein Großteil der Bewilligungen sogar innerhalb von durchschnittlich vier Minuten erledigt. Patient:innen können ihre bewilligten Rezepte meist noch in der Ordination erhalten.

Doch bei Hochpreisern führt diese Schnelligkeit auch zu Irritationen. Wird ein Antrag nicht rechtzeitig bearbeitet, erfolgt eventuell aus Sicherheit im ersten Schritt eine Ablehnung. Diese ist oft nicht medizinisch begründet, sondern formal: Fehlende Informationen, unklare Indikationslage oder zu komplexe Therapieverläufe. Die Folge: Frust auf Seiten der verordnenden Ärzteschaft und Unsicherheit für Patient:innen. Hier setzt das neue Hochpreiser-Team an.

Das Hochpreiser-Team: Eine neue Taskforce mit klarer Mission

Um die Versorgungsqualität zu erhöhen, wurde ein eigenes Hochpreiser-Team innerhalb der österreichischen Gesundheitskasse aufgebaut. Die Idee: Eine kleinere, spezialisierte Einheit bearbeitet ausschließlich Anträge zu hochpreisigen Medikamenten.

Das Team soll nicht nur über mehr Erfahrung, sondern auch über erweiterte Entscheidungskompetenzen verfügen. Besonders bemerkenswert: Jedem Krankenhaus in Österreich wird eine Ansprechperson zugewiesen. Das vereinfacht Abstimmungen, reduziert Missverständnisse und beschleunigt komplexe Prozesse.

Qualität vor Geschwindigkeit? Der Balanceakt im Bewilligungsverfahren

Mit dem Hochpreiser-Team soll nicht die Geschwindigkeit geopfert werden – vielmehr soll die Qualität in Fällen steigen, die ohnehin nicht binnen Minuten entschieden werden können. Die Taskforce bringt medizinische Fachkenntnis, Vertrautheit mit komplexen Therapien und klare Kommunikationsstrukturen ein. Gleichzeitig bewahrt sie das System vor übereilten Ablehnungen oder teuren Automatismen, die auf unzureichender Faktenlage beruhen.

Kritiker:innen merken allerdings an, dass eine solche Zentralisierung auch die Distanz zu regionalen Besonderheiten erhöhen könnte. Die bisher oft informellen Abstimmungswege zwischen Klinik und Landesstelle verlieren an Bedeutung. Ob das neue Modell dies durch systematischere Zuständigkeiten kompensieren kann, bleibt abzuwarten.

Versorgung verbessern – nicht nur verwalten

Die Einführung des Hochpreiser-Teams ist mehr als eine administrative Anpassung. Sie folgt einem Paradigmenwechsel: Hochpreisige Medikamente sollen nicht länger in einem Zufallsprinzip beurteilt werden, sondern durch speziell geschulte Fachleute. Das kann nicht nur Kosten transparenter machen, sondern auch die Versorgungsqualität für Patient:innen steigern.

Zudem bietet das Modell eine neue Chance für echte Kooperation. Die klaren Ansprechpartner erleichtern den Austausch, vermeiden Eskalationen und machen Entscheidungen nachvollziehbarer.

Verwaltung als Versorgungsarchitektur

Die Hochpreiser-Teams zeigen, dass die Verwaltung nicht länger nur Kostenkontrolle, sondern auch Versorgungsarchitektur betreiben muss. In Zeiten teurer, hochspezialisierter Therapien braucht es neue Wege, um zwischen Ärzt:innen, Patient:innen und Systemverantwortlichen Vermittlung zu schaffen.

Ob das Hochpreiser-Team langfristig Wirkung zeigt, wird sich an seiner Praxistauglichkeit messen lassen müssen. Doch schon jetzt zeigt das Modell: Auch in der Verwaltung ist Spezialisierung ein wirksames Mittel, um Qualität und Tempo zu verbinden – zum Vorteil aller Beteiligten.

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