Der digitale Kunde

In den letzten beiden Jahren hat der Online-Handel einen unglaublichen Boom erlebt. Aber ist der digitale Kunde von heute, der gleiche Kunde, der gestern noch in der Vor-Ort-Apotheke eingekauft hat?

 

Rund 7 von 10 LeserInnen des pka-journals kaufen regelmäßig online ein. Tendenz steigend. Und wenn sich in den vergangenen Jahren Online-Shopping vor allem auf die Bereiche Consumer Electronics (also Elektronik wie TV, PC, Handy) und Kleidung fokussiert hat, so werden immer neue Bereiche unseres täglichen Lebens erschlossen. Zu den letzten „Offline-Zuerst“ Bereichen zählten der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und die Apotheken. Und auch diese beiden Bereiche verändern sich gerade wahnsinnig schnell. Um besser einordnen zu können, wohin hier die Entwicklung geht, möchte ich euch mit ein paar wesentlichen Begrifflichkeiten und Zahlen vertraut machen.

 

Q-Commerce / Quick-Commerce

Lange Zeit hat man das Argument gehört: „Die Apotheke ist vom Online-Handel nicht so bedroht, weil die Kunden ja heute Halsweh haben und nicht in 3 Tagen, wenn die Lieferung kommt.“ Diese Aussage hat an Bedeutung verloren, seit es Quick-Commerce (kurz Q-Commerce) gibt. Dabei spricht man von Liefergeschwindigkeiten von wenigen Stunden, teilweise sogar von wenigen Minuten. Europäische Bekanntheit erlangte das Modell durch Zustelldienste wie Gorillaz, Wolt und Flink. Bei diesen Diensten kann man Lebensmittel bestellen und erhält die Lieferung in unter 30 Minuten. Auch im Osten Österreichs bietet der Anbieter „Gurkerl“ eine Hauszustellung mit Lebensmitteln unter 3 Stunden an. Neben Lebensmitteln können bei Gurkerl mittlerweile auch Apothekenprodukte bestellt werden.

Es heißt also nicht mehr 3 Tage, sondern nur noch 3 Stunden zu warten. Das ist für halswehgeplagte KundInnen schon wesentlich erträglicher und damit ein guter Anreiz auch Apothekenprodukte online zu bestellen.

 

Selektiver Online-Käufer

Wenn wir verstehen wollen, welche KundInnen bei Apotheken einkaufen, dürfen wir nicht schwarz-weiß zwischen „Traditionellen Vor-Ort-Käufer“ und „Online-Shoppern“ unterscheiden, sondern müssen die wichtige Gruppe der „Selektiven Online-Käufer“ berücksichtigen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 des Deutschen Instituts für Handelsforschung in Köln gehören 49% der KundInnen zur Gruppe der selektiven Online-Shopper. Diese KundInnen entscheiden daher je nach Produktkategorie (Lebensmittel, Apothekenprodukte, Kleidung, etc.), ob die online oder offline einkaufen – je nachdem, welches Angebot ihnen besser gefällt. Der Preis ist dabei nicht immer der ausschlaggebende Faktor.

 

Showrooming vs. Webrooming

Immer wieder hört man von Apotheken die Sorge, dass KundInnen sich in der Apotheke beraten lassen und dann günstiger online einkaufen (Showrooming) und damit die wertvolle Beratung in der Apotheke „umsonst“ war.

Untersuchungen der letzten Jahre zeigen aber teilweise genau die gegenteilige Entwicklung – das sogenannte Webrooming. KundInnen recherchieren dabei zuerst zu Hause und kommen dann informiert in das Geschäft Vor-Ort, um die gewünschten Produkte zu kaufen.

Gerade in der Apotheke ist dies ein wichtiger Trend, weil er zeigt, dass KundInnen online zwar viele, aber nicht alle Informationen finden und damit der Beratungsleistung der Apotheke eine wichtige Rolle zukommt. In einer Apothekenkundenbefragung der IFH Köln im Jahr 2019 sagten 55% der ApothekenkundInnen, dass sie das Beratungsgespräch mit MitarbeiterInnen von Vor-Ort-Apotheken als wesentliche Informationsquelle nutzen.

Gleichzeitig zeigt die Entwicklung des Webroomings die Wichtigkeit einer guten Online-Präsenz für eine Apotheke. KundInnen müssen die „Apotheke um die Ecke“ rasch und vollständig online finden können. Eine Aufgabe, die leider auch im Jahr 2021 noch nicht jede Apotheke zufriedenstellend erfüllt. Oft fehlen auf der Webseite so grundlegende Dinge wie Öffnungszeiten oder eine mobil optimierte Darstellung.

 

Nachholbedarf bei digitalen Angeboten

Die IFH Apothekenkundenbefragung hat auch gezeigt, dass 72% der KundInnen der Meinung sind, dass Vor-Ort-Apotheken bei digitalen Angeboten und Services Nachholbedarf haben. Es ist also höchste Zeit zu handeln und auch als Vor-Ort-Apotheke im digitalen Bereich bei KundInnen zu punkten (mit einem Webshop, einer Online-Information zu Produktverfügbarkeiten, einer Online-Beratung, etc.). Denn 75% der selektiven Online-Shopper würden bei einer Onlinebestellung von Medikamenten online aktive Vor-Ort-Apotheken gegenüber reinen Versandhändlern vorziehen.

 

pkajournal: Artikel #10/2021 | Der digitale Kunde | Redaktion: Mag. Dominik Flener

Ähnliche Beiträge

Market Access Kamingespräch mit Mag. Gunda Gittler

Das exklusive Kamingespräch zum Thema „Arzneimittelbeschaffung im Krankenhaus“  hat bei der Market Access Community großen Anklang gefunden. Als Gastsprecherin am „Kamin“ konnte diesmal Gunda Gittler, Apothekenleitung, Apotheke der Barmherzigen Brüder e.U. Linz, gewonnen werden.

Weiterlesen

Pharmabranche feierte „Fest der Kreativität“

Am 9. Juni 2022 war es wieder soweit: Die „Best of Pharma Advertising“-Gala des PMCA (Pharma Marketing Club Austria) fand statt – und zwar nach dem pandemiebedingten Ausfall 2020 und der Online-Verleihung 2021 endlich wieder in Präsenz!

Weiterlesen
Suche